Geschichte des Judentums II – Vom Mittelalter bis zur Reformation
Geschichte interaktiv 37
Interessant, gut inszeniert und für Schülerinnen und Schüler aufbereitet aber auch für alle anderen Interessierten. – Keine reißerische Darstellung wie in vielen anderen Dokumentationen.
Die folgenden Rezensionen beziehen sich auf die Erstveröffentlichung der Filme auf der DVD Geschichte des Judentums II – Vom Mittelalter bis zur Reformation.
Das Filmmaterial „Geschichte des Judentums II: Vom Mittelalter zur Reformation“ beleuchtet in sechs unterschiedlichen Modulen übersichtlich und verständlich das Judentum in der Zeit vom Mittelalter bis zur Reformation. Dabei können die sechs Module einzeln und unabhängig voneinander im Unterricht behandelt werden. In den ersten beiden Modulen wird die Geschichte des Judentums chronologisch beschrieben, während die restlichen vier Module wesentliche Ereignisse in dieser Zeitspanne aufgreifen und vertieft behandeln.
Zu jedem Modul ist eine didaktische Aufarbeitung vorhanden, die im Internet kostenlos heruntergeladen werden kann. Das didaktische Begleitmaterial bietet schon vorgefertigte Unterrichtsverläufe mit Aufgaben an, die teilweise oder vollständig im Unterricht angewendet werden können. Ein binnendifferenzierter Unterricht ist mit den Aufgaben möglich. Lösungen zu den Aufgaben werden ebenfalls mit aufgeführt.
https://www.kmk-zentralratderjuden.de/themenbereiche/publikation/geschichte-des-judentums-ii/ (25.10.2024)
Wenn wir davon ausgehen, dass der Geschichtsunterricht einen wichtigen - nicht den einzigen - Beitrag zur Bildung von Geschichtsbewusstsein junger Menschen leistet, dann ist die Frage, wie jüdische Geschichte gelehrt und erarbeitet wird, von großer Bedeutung. Es ist allgemeine Überzeugung derer, die Geschichte erforschen und sie lehren, dass Juden nicht ausschließlich als Objekte und Opfer der Geschichte erscheinen dürfen. Gefordert wird immer wieder ein Perspektivwechsel und die "angemessene Berücksichtigung einer jüdischen Innensicht". Es gelte, auch den »Perioden relativ konfliktlosen Mit- und Nebeneinanders von Juden und Nichtjuden stärkeres Gewicht« zu verleihen. So schreiben Martin Liepach und Dirk Sadowski in ihrer immer noch gültigen Darstellung (Martin Liepach / Dirk Sadowski (Hg.), Jüdische Geschichte im Schulbuch. Eine Bestandsaufnahme anhand aktueller Lehrwerke, Göttingen 2014, S. 10).
Daher ist zu begrüßen, dass in der verdienstvollen Reihe "Geschichte interaktiv" nun eine Reihe von DVDs vorliegt, die sich der "Geschichte des Judentums" widmet. Besprochen wird die zweite DVD, die vom Mittelalter bis zur Reformation reicht. Zwei Module unter dem Titel "Geschichte im Zeitstrahl" bieten einen Durchgang durch die Epoche, einmal in islamischen, einmal in christlichen Herrschaftsräumen. Zwei Module beschäftigen sich exemplarisch mit Karl dem Großen bzw. den SchUM-Städten und bieten sich zur Anknüpfung an gängige Lehrplaninhalte bzw. zur Vorbereitung von Exkursionen an. Kolleg*innen aus den SchUM-Städten Speyer, Worms und Mainz bekommen damit Regionalgeschichtliches geboten. Zwei Module beschäftigen sich mit aktuellen Fragestellungen: zum einen dem Thema "Fake News" anhang eines Films zur Ritualmordlüge, zum anderen der Diskussion über antisemitische Darstellungen an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kirchen (Wittenberger "Judensau").
Wie immer bei "Geschichte interaktiv" sind die Filme angenehm zurückhaltend gestaltet: keine reißerische Darstellung wie in vielen anderen Dokumentationen, eine ruhige Erzählerstimme, Kommentare renommierter Wissenschaftler*innen (hier: Prof. Dr. Wolfram Drews, Universität Münster). Die Filmlänge ist mit jeweils ca. einer Viertelstunde für den Unterricht geeignet. Bei älteren Themen gibt es ja immer das Problem, wie etwas bebildert werden soll. Hier hat man sich meist für historisierende Darstellungen späterer Epochen entschieden, da es (natürlich) nur wenige geeignete zeitgenössische Bildquellen gibt. Leider wird in den Filmen auf dieses Problem nicht hingewiesen. Da aber jede erfahrene Lehrkraft diese grundsätzliche Problematik historischer Dokumentationen ansprechen wird, ist das ein nicht allzu großes Monitum.
Die didaktischen Begleitmaterialien liegen leider noch nicht vollständig vor. Besonders zu den diachronen Filmmodulen ist das ein schmerzliches Desiderat. Zu den vorliegenden didaktischen Materialien, die allerdings eher die Nebenthemen erschließen helfen, kann gesagt werden, dass sie wie üblich gut aufbereitet sind und motivierend gestaltet sowie besonders geschichtsbewusstseinfördernde Aufgaben bieten.
(Volker Habermaier, OStD, Schulleiter am Georg-Büchner-Gymnasium Rheinfelden, Baden)
Die jüdische Geschichte ist eine Geschichte, die in unseren Augen oftmals auf die Zeit des so genannten „Dritten Reichs“ fokussiert wird, in der Millionen Juden aufgrund ihrer Rasse von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Wenn man vielleicht einen religiös geprägten Hintergrund hat, fällt noch der alttestamentarische „Exodus“ ein. Doch die Geschichte des jüdischen Volkes hat so viele Facetten zu bieten, dass es schon in Schulen wichtig ist, sich mit ihr zu befassen, um sie besser begreifen zu können und zu wissen, dass es schon immer mehr in der Geschichte gab als das, was oftmals im Fokus steht.
In der zweiten Folge zur jüdischen Geschichte befasst sich die Reihe Geschichte interaktiv (GI) mit dem Leben von Jüdinnen und Juden während des Mittelalters. In sechs Modulen gehen die Autorinnen und Autoren der DVD verschiedenen Aspekten des jüdischen Lebens nach und zeigen, wie das Leben mit Muslimen und Christen aussah, vor welchen Herausforderungen die Menschen standen, aber auch, welche Vorteile ihre Begegnungen mit sich brachten.
Modul 1: Geschichte im Zeitstrahl: Juden im Reich des Islam (622-1492)
Im ersten Modul befassen sich Expertinnen und Experten mit der Ausbreitung des Islams und dem Leben von Jüdinnen und Juden zu dieser Zeit. Unter anderem wird erläutert, wie Jüdinnen und Juden ihren Alltag unter den Muslimen erlebten, welche Pflichten und Rechte sie besaßen und wie sogar eine jüdisch-arabische Kultur entsteht und wächst.
Modul 2: Geschichte im Zeitstrahl: Juden unter christlicher Herrschaft (900-1550)
Das wechselvolle Leben von Jüdinnen und Juden in verschiedenen Städten während des Mittelalters wird in diesem Modul dargestellt. Sowohl die Integration der jüdischen Mitbürger als auch die Verfolgung im Zuge der Pest, die schrittweise verlaufende gesellschaftliche Ausgrenzung bis zur Reformation durch Martin Luther, werden hier ausführlich dargestellt.
Modul 3: Geschichte im Film: Ein Elefant für Karl den Großen
Die Geschichte um den weißen Elefanten, der während der Herrschaft Karls des Großen in Aachen auftauchte, ist Thema des dritten Moduls. Dieser Elefant war ein Geschenk des Kalifen von Bagdad für Karl. Wie der jüdische Fernhändler Isaak es schaffte, dieses „tierische Geschenk“ über die Alpen bis nach Aachen zu führen, ist eine äußerst spannende Geschichte, die bis heute erzählt wird...
Modul 4: Geschichte im Film: Jerusalem am Rhein – Die SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz
Seit dem Frühmittelalter standen Speyer, Worms und Mainz mit ihren jüdischen Gemeinden als Vorbilder für ganz Mittel- und Westeuropa. Der Bund der drei Städte, wird bei den Juden SchUM genannt (von den Anfangsbuchstaben der hebräischen Städtenamen). In den drei mittelalterlichen Städten floriert das jüdische Leben. Noch heute nennt man sie daher „Jerusalem am Rhein“. Das friedliche Miteinander dauerte bis zu den Pestpogromen im 14. Jahrhundert.
Modul 5: Geschichte im Fokus: Die Ritualmordlüge – Fake News aus dem Mittelalter
Noch heute halten sich zahlreiche erfundene Mythen über Jüdinnen und Juden. Sie sollen Jesus ans Kreuz geschlagen haben und – dies wird ab dem im Mittelalter thematisiert – sollen in einem Ritualmord christliche Kinder ermordet haben. Diese frei erfundene Geschichte (heute gerne als „Fake News“ gekennzeichnet) hält sich jedoch in abgewandelter Form bis in die Gegenwart. Was es mit diesem Vorwurf auf sich hat, wie dabei aus religiösen „Fake News“ im Laufe der Zeit antisemitische Hetze wird und warum sogar im Nahostkonflikt die Geschichte des Ritualmords präsent ist, erläutern Expertinnen und Experten in diesem Modul.
Modul 6: Geschichte in Standpunkten: Die „Judensau" – Umstrittene Darstellungen an christlichen Kirchen
Dass der Umgang mit antisemitischen Darstellungen bis heute ein schwieriges Thema ist, zeigt das letzte Modul. Denn an verschiedenen mittelalterlichen Kirchen lassen sich noch heute Darstellungen von Jüdinnen und Juden als so genannte „Judensau“ entdecken. Diese diffamierenden Darstellungen, die unter anderem an der Stadtkirche in Wittenberg und am Dom von Regensburg zu sehen sind, beschäftigen Gerichte, jüdische Gemeinden und Kirchengemeinden in der Frage, wie man mit diesen historischen Zeugnissen von Antisemitismus umgehen soll. Von Tafeln mit Erläuterungen über die Demontage und Wiederaufbau in Museen reichen die Vorschläge, die hier thematisiert werden.
Ergänzt wird die neue Folge GI 37: Geschichte des Judentums II – Vom Mittelalter bis zur Reformation durch sehr gutes didaktisches Material, welches der dokumentARfilm-Verlag kostenlos auf seiner Homepage zur Verfügung stellt. Hier finden sich zu den einzelnen Modulen Beobachtungsaufträge, Quellen, die mit Zeilenangaben und operationalisierten Teilaufgaben bereits für den Unterricht vollständig vorbereitet vorliegen, Anregungen für ein Rollenspiel uvm. Wie immer absolut empfehlenswert für Erarbeitung und Vertiefung der einzelnen Module.
Fazit:
Mit der neuen Folge „Geschichte des Judentums II – Vom Mittelalter bis zur Reformation setzt der dokumentARfilm-Verlag seine Reihe zum Judentum mit sechs spannenden, interessanten, gut inszenierten und für Schülerinnen und Schüler aufbereiteten aber auch alle anderen Interessierten, fort. Das didaktische Material ist wie immer sofort im Unterricht einsetzbar und kann überzeugen.
Die inn-joy Redaktion bedankt sich beim dokumentARfilm-Verlag für das zur Verfügung gestellte Testmuster.
L. Zimmermann