Literatur des 19. Jahrhunderts – Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier
Deutsch interaktiv 3
Sowohl Lehrende als auch Lernende werden ihre Freude damit haben. – Angenehme und passende Länge für den Einsatz im Unterricht. – Mit bemerkenswertem didaktischem und fachwissenschaftlichem Tiefgang.
Die folgenden Rezensionen beziehen sich auf die Erstveröffentlichung der Filme auf der DVD Literatur des 19. Jahrhunderts – Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier.
Literatur des 19. Jahrhunderts: Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier DVD und CD-Rom mit Unterrichtsmaterialien
„Die alte lyrische Schule in Deutschland ist mit mir an ihr Ende gelangt, während ich zur selben Zeit die neue Schule eröffnete, die moderne lyrische Poesie Deutschlands." (H. Heine)
Auf zwei DVDs greift die Einheit zur Literatur des 19. Jahrhunderts zentrale Gedanken und literarische Texte der Literaturepochen „Junges Deutschland", „Vormärz" und „Biedermeier" auf. Neben zahlreichen Textbeispielen zu Heinrich Heine (Schwerpunkt) finden sich Textbeispiele zu Georg Büchner und Annette von Droste-Hülshoff (vgl. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis).
Die erste DVD betrachtet dabei neben dem historischen Hintergrund der Epoche, begonnen mit dem Wartburgfest, auch den literarischen Markt und die Entstehung der Lesegesellschaften und betrachtet anhand verschiedener Beispiele zu Heinrich Heine, Georg Büchner und Annette von Droste-Hülshoff den Zeitgeist, der im 19. Jahrhundert herrschte. Dabei zeigen die einzelnen Module, wie sich die Autoren mit den sozialen und politischen Umbrüchen ihrer Zeit auseinandersetzten (Vormärz und Biedermeier).
Nach dem Sieg über Napoleon veränderte sich einiges in Europa. Zurückzuführen sind die Veränderungen auf die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1815, der sich nach den Ereignissen der Französischen Revolution darum bemühte, die Ordnung in Europa wiederherzustellen. Beeinflusst durch die Französische Revolution und die dort erklärten Menschen- und Bürgerrechte, regte sich damals auch bei vielen Bürgern der deutschen Staaten der Wunsch und die Hoffnung auf einen deutschen Einheitsstaat. Metternich und die übrigen Staatsmänner entschieden jedoch auf dem Wiener Kongress von 1815, dass das ehemalige Reich auch weiterhin in viele Territorialstaaten untergliedert bleiben sollte, die sich lediglich eine gemeinsame Plattform zur politischen Diskussion formten, einen lockeren wenn auch beabsichtigt unauflöslichen Bund: den Deutschen Bund. Damit waren die Hoffnungen der Menschen enttäuscht worden. Vielmehr noch entwickelte sich der Deutsche Bund zu einem Organ der Verhinderung liberaldemokratischer und nationaler Bestrebungen. Metternich beabsichtigte eine Politik der Restauration, der Wiederherstellung der politischen Verhältnisse vor der Französischen Revolution, die mit den Hoffnungen auf einen Nationalstaat zwangsläufig kollidieren musste.
Einer der ersten Träger dieser Hoffnungen waren die Burschenschaften, in denen sich immer mehr Studenten organisierten. Welche Bereitschaft zur Aggression in dieser Ideologie mitschwang, zeigt die Ermordung des in russischen Diensten stehenden Staatsrats und Schriftstellers August von Kotzebue durch den Theologiestudenten Ludwig Sand im Jahr 1819. Dieser Zwischenfall war ein willkommener Grund für Metternich, weiter energisch gegen die nationalen Bestrebungen vorzugehen. Durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819 wurde eine zentrale Bundesbehörde mit Sitz in Mainz errichtet, die zur Aufgabe hatte, revolutionäre und demagogische Verbindungen aufzuspüren und sie zu unterbinden. Das beinhaltete auch eine möglichst umfangreiche Zensurpolitik. Druckschriften mit weniger als 320 Seiten unterlagen einer präventiven Zensur, d. h. sie wurden noch vor der Veröffentlichung zensiert und konnten somit leicht aus dem Verkehr gezogen werden. Druckschriften, die diese Seitenzahl überschritten, mussten sich einer Nachzensur unterziehen. Ein Werk konnte dabei auf zwei verschiedene Weisen zensiert werden: die betreffenden Textstellen wurden entweder durch die Zensoren korrigiert oder gestrichen. Die Streichungen waren anfangs noch als Zensurstriche sichtbar, später wurden auch diese verboten.
Im Grunde blieben diese Bestimmungen bis 1848 bestehen, doch die Umsetzung konnte nicht immer so verlaufen, wie ursprünglich vorgesehen. Zum einen fehlte angesichts der zahlreichen Neuerscheinungen das nötige Personal, zum anderen zeigten viele Verleger und Autoren eine durchdachte Kreativität, wenn es darum ging, die Eingriffe zu umgehen.
So versuchten ab 1830 immer mehr Schriftsteller und Verleger die Zensurmaßnahmen zu umgehen, indem sie ihre Werke entweder im Ausland drucken ließen oder ihren Umfang auf 21 Bogen ausweiteten. Dieser Widerstand führte unweigerlich zu einer Verschärfung der Zensur. Zur Vorzensur kamen jetzt auch die Ausweitung der Zensur auf alle Werke, das Verbot einzelner Autoren und Verlage und die Zerschlagung von Vereinen hinzu. Verboten war vor allem die Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen, wie an der Regierung oder am Adel.
Im 12. Kapitel von "Ideen. Das Buch Le Grande" parodierte Heine die deutschen Zensoren.
Ideen. Das Buch Le Grande (1827)
Heinrich Heine
Kapitel 12
Die deutschen Zensoren -- -- -- --
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Gerade Heinrich Heine war es, der ganz bewusst solche Leerstellen in seinen Schriften einsetzte und sie sogar als stilistisches Mittel gebrauchte, wie im hier gezeigten Gedicht, um u. a. mögliche Zensureingriffe offen zu legen oder entsprechend Kritik an der Zensur zu üben. Ganz bewusst wurden solche Stellen durch Leerstellen, Gedankenstriche oder Ähnliches gefüllt, wobei dabei beabsichtigt war, dass der interessierte Leser diese Leerstellen zu ergänzen wusste. Es verwundert also nicht, dass im Zuge der erwähnten Demagogenverfolgung, d. h. der Verfolgung nationaler und liberaler Gruppen und Einzelpersonen durch den Staat, viele Schriftsteller ins Visier der Regierung gerieten. Die Lyrik war für die Autoren des Vormärz die wichtigste Gattung, in der sie ihre politischen Absichten ausdrücken konnten, zumal sie sich leicht auf Flugblätter drucken ließ. Der Gebrauch der Lyrik als politisches Instrument, wie sie z. B. von Georg Herwegh oder Fallersleben eingesetzt wurde, fand jedoch nicht bei allen Schriftstellern Zustimmung und führte durchaus auch zu heftigen Diskussionen.
Dass die Hoffnungen auf einen Nationalstaat und die damit einhergehenden Bestrebungen trotz aller politischen Bemühungen nicht verhindert werden konnten und sich seit der Julirevolution in Frankreich 1830 auch ein Erstarken des politischen Protestes auf deutschem Boden verzeichnen ließ, zeigt das Hambacher Fest, ein Zusammenkommen von politisch engagierten Personen verschiedener sozialer Schichten, die einen Einheitsstaat, die Republik und Demokratie forderten. Reaktion darauf war eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit und das Zensurwesen wurde nochmals verschärft. Dies veranlasste zahlreiche Schriftsteller, darunter Heine und Büchner, ins Ausland zu gehen und von dort zu versuchen, weiterhin Einfluss zu nehmen. Die sich krisenhaft zuspitzenden Proteste entluden sich im März des Jahres 1848. Die Hoffnungen lagen nun bei den Vertretern des Volkes, die in der Frankfurter Paulskirche zu einer Nationalversammlung zusammenkamen, um eine neue politische Ordnung mit einem deutschen Einheitsstaat zu formen. Unter diesen Vertretern waren unter anderem auch der Dichter Ludwig Uhland und die Brüder Grimm, die im Zuge der Demagogenverfolgung aus ihren Ämtern als Professoren an der Universität Göttingen entlassen wurden.
In Abgrenzung zur Literatur der Romantik entwickelte sich nun die Politik zum Kernthema vormärzlicher Literatur, wobei es sich nicht um einen Zufall handelt. Die Literatur sollte das politische Interesse der Menschen wecken und sie zu politischem Engagement aufrufen, sie sollte ein Appell an die Herrschenden sein und ein Aufruf an die Bevölkerung, sich zur Wehr zu setzen. Als sich im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung Hunger und Elend immer mehr unter den Arbeitern verbreiteten, solidarisierten sich viele Autoren wie Heinrich Heine mit der Arbeiterklasse. Unmenschliche Arbeitsbedingungen, eine hohe Sterblichkeitsrate, vor allem unter Kindern, und der steigende Druck der Konkurrenz billigerer Waren aus dem Ausland ließ die Unzufriedenheit der Arbeiterklasse und derer, die sich mit ihnen solidarisch stellten, wachsen. Dies spiegelt sich auch in der Literatur der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wider, der Zeit, in der sich die Situation krisenhaft zuspitzte und sich die Bevölkerung von ihren Herrschern vernachlässigt fühlte. Beispielhaftes Werk hierfür ist das Gedicht "Die schlesischen Weber" von Heinrich Heine aus dem Jahre 1844.
Der dritte Teil der DVD-Reihe „Deutsch interaktiv" beleuchtet mit seinen zahlreichen Beispielen eine von Gegensätzen und Konflikten geprägte Zeit und ermöglicht den Schülern einen zentralen Einblick in Kerngedanken/-inhalte der Literatur des 19. Jahrhunderts. Sehr vorteilhaft ist, dass die Hauptfilme und Module in sich geschlossen und einzeln einsetzbar sind und darüber hinaus eine für den Unterricht angenehme und passende Länge besitzen (bis zu 25 Minuten).
Die erste DVD ist der filmischen Dokumentation gewidmet, während die zweite DVD inszenierte Lesungen und professionelle Gedichtrezitationen von zahlreichen Primärtexten sowie einen thematischen Längsschnitt zum Thema „Heimatverlust und Exil" beinhaltet. Zusätzlich gibt es einen DVD-ROM-Teil mit Materialien und didaktisch-methodischen Anregungen. Die Module sind zudem jeweils in Unterkapitel gegliedert, die man über die Kapitelauswahl der DVD direkt ansteuern kann.
Aus meiner Sicht eine lohnende Anschaffung für den Unterricht, zumal der Preis angemessen erscheint. [...]
Alexandra Weber
http://www.zum.de/buch/index.php?controller=front&action=view&id=400 (20.09.2024)
Mit der DVD Literatur des 19. Jahrhunderts. Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier liegt ein modular konzipiertes Begleitmaterial für den Deutschunterricht vor, das den Schülerinnen und Schülern eine Zeit der deutschen Literaturgeschichte anschaulich vor Augen führt, die vielen häufig fremd erscheint, da das Verständnis dieser Literatur deutlich mit dem Verständnis der politisch-historischen Situation und des wirtschaftlich-industriellen Strukturwandels verbunden ist.
Cornelia Köhler und Anne Roerkohl gelingt es mit ihrem Hauptfilm den sozio-historischen Kontext pointiert darzustellen. Die Lernenden erhalten einen fundierten Überblick über das Wartburgfest, die Zeit des Biedermeier, die Revolution von 1830 und das Hambacher Fest, das Junge Deutschland, Pauperismus und Industrialisierung sowie über die Revolution von 1848/49. Ein Ausblick bis zur Reichsgründung rundet den Hauptfilm ab. Die weiteren Module dokumentieren mit der Wahl repräsentativer Autorinnen und Autoren jener Zeit (Heine, Büchner, Droste-Hülshoff) sowie mit der Fokussierung des literarischen Marktes (Verleger und Zensur, Schriftsteller und Zeitgeist, Lesehunger und Lesegesellschaften) ebenfalls eine didaktisch durchdachte Konzeption. Dass im Kontext eines solchen Unterrichtsmaterials Autoren wie Gutzkow, Lenau und Werth nicht eigens Module gewidmet werden, ist konsequent und resultiert nicht zuletzt aus den Vorgaben der schulrechtlichen Rahmenrichtlinien der einzelnen Bundesländer.
Konzeptuell ist zudem positiv hervorzuheben, dass der Hauptfilm sowie die Module in einzelne Kapitel untergliedert sind. Diese Tatsache ermöglicht der Lehrperson eine überschaubare und gezielte Steuerung; den Schülerinnen und Schülern wird so die Aufnahme und Verarbeitung erleichtert, wie ohnehin die mediale Konzeption den Rezeptionsweisen der Lernenden zupasskommt. Die einzelnen Beiträge zeichnen sich aus durch ein hohes Maß an (sprachlicher) Präzision und fachlicher Kompetenz. Es finden sich Passagen, in denen die Ausführungen des Kommentators im Vordergrund stehen, illustriert durch die unterschiedlichsten Bilddokumente (geschichtliche Originalquellen, Einrichtungsgegenstände, Zeichnungen, Bilder, Handschriften etc.), und Passagen, in denen einschlägig ausgewiesene Experten von Universitäten oder kulturellen Einrichtungen (z.B. Büchnerhaus, Riedstadt-Goddelau und Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf) Erläuterungen darlegen. Rezitationen (z.T. verschiedener Rezitatoren zu einem Gedicht) sowie Vertonungen von Heines Lyrik, Mitschnitte von Theateraufführungen (z.B. zu Dantons Tod: Hans Otto Theater, Potsdam, 2009) oder Ausschnitte aus Verfilmungen der literarischen Werke (z.B. DEFA-Verfilmung Wozzeck, 1947) ermöglichen eine aufführungsbezogene Rezeption der Texte wie sie sonst nur schwer in der Schule umzusetzen ist, jedoch gleichwohl zu Recht gefordert wird (vgl. dazu Gabriela Paule: Kultur des Zuschauens, 2009). Ergänzt wird das Bild- und Tonmaterial durch einen den einzelnen Modulen und Kapiteln zugeordneten Aufgaben- und Text-‚Pool‘, der mit Blick auf Didaktik und Methodik ebenfalls überzeugt. Die einzelnen Aufgaben sind unterschiedlichen Lernzieltaxonomien zuzuordnen, abwechslungsreich gestaltet, zeigen eine Varianz mit Blick auf die Verwendung der Operatoren, befördern und vertiefen das Verständnis des im Film Dargebotenen oder regen zu weiterführenden Diskussionen, Aktualisierungsversuchen und Recherchen an.
Damit kann man das vorliegende Begleitmaterial bedenkenlos für einen kompetenzorientierten, zeitgemäßen, abwechslungsreichen und dennoch fundierten Deutschunterricht mit Nachdruck empfehlen. Sowohl Lehrende als auch Lernende werden ihre Freude damit haben.
Jens F. HEIDERICH
(Lehrer für Deutsch, Französisch und Ethik am Frauenlob-Gymnasium Mainz und Dozent für Literatur- und Mediendidaktik des Deutschen an der Universität Trier)
Modulares Medienkonzept fördert die Lust an Literatur
Mit den beiden Doppel-DVDs „Epochenumbruch 1800 (II): Romantik“ und „Literatur des 19. Jahrhunderts. Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier“ sind zwei weitere Titel in der Reihe „deutsch interaktiv“ der Münsteraner Produktionsfirma dokumentARfilm erschienen.
Nach bewährtem Muster bieten die Programme auf der ersten DVD einen ca. 25-minütigen Einführungsfilm („Lebenswelt Romantik“ bzw. „Leben zwischen Biedermeier und Revolution“) und mehrere kürzere, jeweils etwa 15 Minuten dauernde Filmmodule an. Diese behandeln in einer Kombination aus biografischem und epochengeschichtlichem Zugriff bedeutende Schriftsteller und Schriftstellerinnen der Epochen wie KLEIST, E.T.A. HOFFMANN, HEINE, BÜCHNER oder DROSTE-HÜLSHOFF. Auf der „Romantik“- DVD findet sich ferner ein Modul über „Schreibende Frauen“, während die DVD „deutsch interaktiv 3“ mit einem Modul über den literarischen Markt unter den Vorzeichen von Zensur und Öffentlichkeit schließt.
Besonders die Modulfilme, die ebenso wie der Hauptfilm einer Themeneinheit in sich abgeschlossen sind und unabhängig voneinander eingesetzt werden können, sind allesamt so dimensioniert, dass sie im gängigen Unterrichtsrhythmus von 45 bzw. 90 Minuten gezeigt und ausführlich thematisiert werden können. In einem ROM-Teil, der ausschließlich über den PC aufgerufen werden kann, enthält die DVD 1 jeweils umfangreiche Arbeitsmaterialien mit praxistauglichen Arbeitsaufträgen und didaktisch-methodischen Hinweisen, die von versierten Fachdidaktikern erstellt wurden.
Ergänzend beinhalten die Programme jeweils eine zweite DVD, die Rezitationen literarischer und biografischer Texte sowie Ausschnitte aus Inszenierungen wie etwa BÜCHNERs „Dantons Tod“ oder „Woyzeck“ enthält. In jedem Fall sind diese Materialien von hohem praktischem Nutzen und unterstützen einen zeitgemäßen Deutschunterricht auf medialer Ebene.
Beide neuen Folgen der DVD-Reihe „deutsch-interaktiv“ stellen mit ihrem breiten inhaltlichen Angebot, den Zusatzmaterialien und der didaktisch-methodischen Aufbereitung eine ausgezeichnete Ergänzung für den Deutschunterricht dar. Die modulare Struktur der Programme, die ein Markenzeichen der Reihe sind, gewährleistet einen vielgestaltigen und sehr variablen Einsatz im Unterricht.
Klaus Fieberg, Leverkusen
Nach den fulminanten Veränderungen in der deutschen und europäischen Geschichte am Ende des 18. und am Beginn des 19. Jahrhunderts (Französische Revolution, Napoleonische Ära und Befreiungskriege, Wiener Kongress und Heilige Allianz, Julirevolution) begann spätestens mit dem Tod Goethes 1832 auch auf literarischem Gebiet eine neue Zeitrechnung. Heinrich Heine, neben Karl Gutzkow und Ludwig Börne prominentestes Mitglied des losen Schriftstellerverbandes „Junges Deutschland“, sprach gar vom „Ende der Kunstperiode“, was in programmatischer Hinsicht eine Abschüttelung tradierter Normen und überholter Konventionen bedeutete, um dem Zeitgeist gerecht zu werden. Auch Heines Werke waren weder obrigkeitsorientiert noch obrigkeitshörig und standen damit zwangsweise in Konfrontation zu den nahezu allseitigen restaurativen Bestrebungen unter Metternich’scher Dominanz. Einzig und allein dem Gewissen verpflichtet, reklamierte die behördlich verfolgte Riege dieser neuen Schriftstellergeneration – gleich den Vertretern des literarischen Vormärz – nicht nur politisches Mitspracherecht für die unteren Schichten und die Beseitigung feudal-absolutistischer Relikte, sondern sie forderten auch vor dem Hintergrund der beginnenden Industrialisierung Lösungsansätze der Sozialen Frage ein. Um ihrem Ansinnen Gehör zu verschaffen, setzten sie die Gesetzmäßigkeiten des aristotelischen Dramas endgültig außer Kraft und bedienten sich verschiedenster literarischer Genre (Novelle, Reisebericht, Essay, Flugschriften, journalistische Texte), die ihnen zeitgemäßer und publikumswirksamer erschienen. (Der Umstand, dass gerade Goethe, der Dichter der Fürsten, mit der Einforderung eines allgemeinen Verlagsrechtes für seine „Ausgabe letzter Hand“ 1825/26 gerade auch diesen Autoren ein wertvolles Exempel statuierte und ihnen Wegbereiter bei der Sicherung eigener urheberrechtlicher Ansprüche war, trägt hierbei fast ironische Züge.)
Große Namen verbinden sich mit dieser facettenreichen literarischen Epoche des geistigen und kulturellen Umbruchs, die auch das literarischen Biedermeier und als gegenläufige Tendenz damit die Resignation vor den als fatal empfundenen politischen Verhältnissen einschloss. Dass sich in diesem vielgestaltigen frührealistischen Parnass auch Schriftstellerinnen (Bettine von Arnim, Annette von Droste-Hülshoff) erfolgreich einen Namen machen konnten, ist Indiz für ein weiteres Postulat jener Autoren – die Emanzipation der Frau.
Auf all diese Aspekte wird in der zuletzt erschienenen Folge „Literatur des 19. Jahrhunderts. Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier“ der Reihe „Deutsch interaktiv“ eingegangen. Im Kontext des 25-minütigen Hauptfilms findet zunächst das politische Zeitgeschehen, ausgehend von den Geschehnissen der Französischen Revolution bis hin zur Einigung Deutschlands, Betrachtung. Dies ermöglicht den Schülern nicht nur die historische und sozialgeschichtliche Einordnung und das Verständnis literarischer Konzeptionen im 19. Jahrhundert, sondern es liefert auch wichtige Anknüpfungspunkte hinsichtlich der Bewertung frühmoderner literarischer Produkte. Explizit eingegangen wird auf letztere dann im Rahmen dreier autorenbiografisch orientierter Module (je ca. 15.30 bis 17 Minuten). Berücksichtigung finden hierbei Heinrich Heine und seine sich vor allem im lyrischen Schaffen niederschlagende Kritik an den politischen Zuständen (Modul 1), Georg Büchner und sein Kampf um Aufmerksamkeit für die unteren Schichten (Modul 2) sowie das stimmungsvolle literarische Werk Annette von Droste-Hülshoffs (Modul 3). Das Modul 4 wirft schließlich ein Schlaglicht auf den von Zensurmaßnahmen, Verlagspolitik und einer neuartigen Lesekultur geprägten literarischen Markt jener Zeit. Eine wertvolle und für einen modernen Deutschunterricht unabdingbare Ergänzung bilden die auf der DVD 2 befindlichen insgesamt 24 separat einsetzbaren Filmmaterialien (Rezitationen, Theater- und Filmmitschnitte). Außerdem liefert der siebenminütige Längsschnitt „Heimatverlust und Exil“ einen Einblick in autorenbezogene Auswandererschicksale aus mehr als anderthalb Jahrhunderten. Zudem steht für die unterrichtliche Vor- und Nachbereitung auf jeder der beiden DVDs ein CD-ROM-Teil mit didaktisch aufbereiteten, ergänzenden Materialien (Aufgabenstellungen, Autorenporträts, Quellenmaterial) zur Verfügung.
Wie auch die übrigen bisher erschienenen drei Folgen der Reihe so überzeugt auch dieser Teil – „Literatur des 19. Jahrhunderts. Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier“ – durch seine anspruchsvolle und qualitativ hochwertige Aufmachung. Erstklassig ausgewählte Zitatbeiträge sowie Mitschnitte von Experteninterviews ergänzen die dokumentarischen Filmsequenzen und vergegenwärtigen in komprimierter Form auf eindrucksvolle Weise Hintergründe und Vorgänge des Literaturgeschehens im 19. Jahrhunderts.
Die Einsatzmöglichkeiten dieser Doppel-DVD im Unterricht sind vielfältig. Der Hauptfilm, die Module und die Filmmaterialien der DVD 2 eignen sich für eine Verwendung im Einstieg, während der Arbeit an literarischen Texten und auch in der Wiederholungs- und Festigungsphase. Dass zahlreiche Fragen auch nach der Rezeption der Beiträge offen bleiben, ist nicht als Manko dieser Folge, sondern vielmehr als dessen Potenzial hinsichtlich einer weiteren Beschäftigung mit dem Lerngegenstand zu werten. Kurzum: Es handelt sich um eine gelungene medienpädagogische Ergänzung des Literaturunterrichts mit bemerkenswertem didaktischem und fachwissenschaftlichem Tiefgang.
Marco Schröder
(Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte, Dresden)